Bürokratieabbau durch Schaffung eines unionsrechtskonformen Umsatzsteuer
Bürokratieabbau durch Schaffung eines unionsrechtskonformen Umsatzsteuer
verfahrensrechts
Die Umsatzsteuer soll als Massentransaktionssteuer rechtssicher und unter Beachtung der uni
onsrechtlichen Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Neutralität für Umsätze zwischen Un
ternehmen erhoben werden. Dies setzt eine kongruente Steuerfestsetzung unter Zugrundelegung
einer einheitlichen rechtlichen Beurteilung eines Sachverhalts bei sämtlichen Beteiligten voraus.
I. Problem
Die Rechtspraxis in Deutschland hat sich weit hiervon entfernt. Obwohl die Umsatzsteuer für Un
ternehmen ein durchlaufender Posten sein sollte (Neutralitätsprinzip), werden die Unternehmen
häufig sachwidrig mit Umsatzsteuer belastet. Hierdurch werden die betroffenen Unternehmen wett
bewerbswidrig benachteiligt. Ursache für die Verletzung des Neutralitätsprinzips ist das Verfah
rensrecht der Abgabenordnung, welches starr auf das zweiseitige Steuerschuldverhältnis zwischen
dem Steuerschuldner und seinem Steuergläubiger abstellt. Damit ist es nicht in der Lage, das bei
der zwischenunternehmerischen Leistungserbringung typische Vierecksverhältnis zwischen leis
tendem Unternehmer, dessen Steuergläubiger (Finanzverwaltung), leistungsempfangendem Un
ternehmer und dessen Steuergläubiger (Finanzverwaltung) adäquat zu regeln. Dies führt häufig zu
sich widersprechenden Steuerfestsetzungen ohne Korrekturmöglichkeit und damit zur Verletzung
des Neutralitätsprinzips.
Die maßgeblichen Regelungen der Abgabenordnung stammen aus einer Zeit vor Inkrafttreten des
europäischen Mehrwertsteuersystems1. Eine Anpassung an die Erfordernisse der harmonisierten
Mehrwertsteuer ist daher dringend angezeigt. Der richtige Platz zur verfahrensrechtlichen Imple
mentierung des unionsrechtlichen Neutralitätsprinzips ist das Umsatzsteuergesetz, welches das
harmonisierte Mehrwertsteuerrecht in nationales Recht umsetzt. Das Umsatzsteuergesetz enthält
bereits jetzt einige Regelungen verfahrensrechtlicher Natur.
II. Lösung
Für die Verankerung des Neutralitätsprinzips im umsatzsteuerlichen Verfahrensrecht regen wir –
als zeitnah durchzuführende „Sofortmaßnahmen“ – die folgenden gesetzgeberischen Anpassun
gen im Umsatzsteuergesetz an:
1. Sicherstellung einer einheitlichen Beurteilung eines umsatzsteuerrechtlich relevanten Sachver
halts durch die Finanzverwaltungen aller Beteiligten durch
a. verbindliche Auskunftsverfahren im Vorfeld der Steuerfestsetzung und gesonderte
Feststellungsverfahren durch die Finanzverwaltung des einen Unternehmens mit Wir
kung für alle anderen Beteiligten,
b. umfassende Beteiligungsrechte an den jeweiligen umsatzsteuerlichen Verfahren
(durch Hinzuziehung und notwendige Beiladung), sowie
c. wirksame Korrekturmöglichkeiten bei inkongruenten Steuerfestsetzungen;
2. verfahrensrechtliche Verankerung einer einheitlichen umsatzsteuerlichen Beurteilung grenz
überschreitender Sachverhalte durch Beteiligung Deutschlands an dem Modellversuch zu An
trägen auf Amtliche Vorab-Auskünfte (Vorbescheide) der Europäischen Kommission;
3. gesetzliche Regelung der Erstattung rechtswidrig erhobener Umsatzsteuer in Umsetzung der
Rechtsprechung des EuGH zum sog. „Direktanspruch“, insbesondere bei Störungen der Rück
abwicklung durch Insolvenzen oder zivilrechtliche Verjährung, i. V. m. einer unionsrechtskon
formen Regelung der Steuerkorrektur (§ 14c UStG);
1Auf europäischer Ebene wird der Begriff „Mehrwertsteuer“ verwendet.
4. Beschränkung der Verzinsung der Umsatzsteuer auf Fälle, in denen der Fiskus in einer Ge
samtbetrachtung aller Beteiligten tatsächlich einen finanziellen Nachteil erlitten hat, in Umset
zung der Grundsätze der Rechtsprechung des EuGH.
Die Umsetzung dieser von der BStBK und dem BDI erarbeiteten Vorschläge wird allen Beteiligten
erhebliche Erleichterungen bringen, ohne dass es zu einer Minderung des unionsrechtskonformen
Umsatzsteueraufkommens kommen kann. Dadurch wird das Neutralitätsgebot gewahrt. Ein erhöh
ter administrativer Aufwand ist nicht zu befürchten, da die einheitlich abgestimmte zeitnahe um
satzsteuerliche Beurteilung eines Sachverhalts durch alle Beteiligten geringeren Aufwand erfordert
als nachgelagerte Prüfungs-, Rechtsbehelfs- bzw. Rechtsmittelverfahren. Die Vorschläge sind gut
geeignet, Ressourcen auf allen Seiten zu schonen und das kooperative Verhältnis der Umsatz
steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung zu fördern.
III. Petitum
Die neu gewählte Bundesregierung sollte das Thema „Schaffung eines unionsrechtskonformen
Umsatzsteuerverfahrensrechts“ auf die Agenda nehmen. Der Koalitionsvertrag sollte das Thema
aufgreifen. Die Vorschläge der BStBK und des BDI können die Grundlage für eine Umsetzung
bilden.
Bundessteuerberaterkammer KdöR
Oliver Glückselig
Abt. Steuerrecht und Rechnungslegung
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Annette Selter